Ich bin ein Kind der 70er Jahre, ein Baby Boomer (diesen Begriff gab es damals natürlich noch nicht). Es erstaunt mich selbst, wie sehr ich die liberalen Grundeinstellungen von damals beibehalten habe. Eingeengt im schweizerischen Mittelland aufgewachsen war ich als halber Etrusker (die Mutter stammt aus der Toscana) unzufrieden mit der Sicht auf den Berg oder in den Nebel. Mit 17 durfte ich zum Glück ein Jahr im Midwesten der USA verbringen, 1972, kurz nach der Mondlandung und Woodstock, und mit Richard Nixon als perfektem Feindbild. Die Welt gehörte uns, und wir fühlten uns entsprechend.
Haben wir versagt, wie viele heute meinen? Vielleicht auch, aber wir waren schon damals nicht alle im gleichen Boot, auch wenn es so aussah. Einigen war Geld wichtiger, und die rechte Szene gab es auch schon. Trotzdem hat diese Generation vieles zumindest gut gemeint, und die moderne Entwicklung der Geschlechter, der Sexualität und die offene Willkommenskultur konnten nur auf dieser Revolution wachsen.
Dann das Studium in Basel, seit dem frühen Mittelalter ein Hot Spot für das Elsass, Baden und die Nordwestschweiz. Eine offene Stadt, die ich bis heute lieb habe und in deren ländlich-urbanen Umgebung ich seit fast fünfzig Jahren wohne und arbeite – eine gute Entscheidung. Ich wurde Internist, das war auch eine gute Idee.
Die neue Arztpraxis, bis heute am gleichen Ort in Pfeffingen seit 1989, war anfangs nicht einfach zu führen, spätestens nach einem Aufenthalt in China 1995 war sie sehr ausgelastet. Das Studium der traditionellen chinesischen Medizin – in Beijing und Santa Cruz CA – machte die Schwächen und die Stärken unserer Medizin klar, und die Akupunktur wurde zum geschätzten Bestandteil meiner Praxis.
Angeregt durch meine erste Partnerin folgte die Ausbildung in Somatic Experiencing 2002, zum Teil durch Peter Levine selbst. Dies war das fehlende Puzzle: ein auf Wissenschaft basierendes, gleichzeitig herzliches und humanes Verständnis der Conditio humana. Meine Berührungspunkte mit der Welt Freuds – Luban-Plozza mit 22, über tausend Stunden klassischer Psychoanalyse während der Ausbildung – hatten mich weder überzeugt noch verändert. Aber dieser neue körperpsychotherapeutische, traumabasierte Zugang war befreiend und wirksam.
Ein Master of Advanced Studies in Psychotraumatologie der Universität Zürich (2007 – 2009) war akademisch wertvoll, das Therapiehandwerk habe ich allerdings anderswo gelernt: in der Ego State Ausbildung, bei der Hypnoseausbildung, bei Allison Miller in Oakland, in der Supervision, und, last but not least, in meinen eigenen Sessions.
Seit 2020 therapiere ich ausschliesslich als Psychotraumatologe, der Internist bleibt als Denker immer dabei – und der Lernprozess geht weiter.
Eine strenge Schule in medizinischem Denken habe ich von den grossen Vorbildern der «Alten Schule» durchlaufen – Prof. Hans Kummer (Bruderholzspital), Prof. Walter Marti (Kantonsspital Aarau), Prof. Ulrich Dubach (Universitätsspital Basel). Wie auch immer das Thema, innere und äussere Stringenz, Belegbarkeit (auch klinisch) und allgemeine Reproduzierbarkeit dürfen in der Medizin nie fehlen – schulmedizinisch und komplementär.
In der chinesischen Medizin hatte ich das Privileg ebenfalls von zwei Meistern lernen zu dürfen – Prof. Ming Qing Zhu, dem Erfinder der Schädelakupunktur, im kalifornischen San Jose, und Dr. Richard Tan aus San Diego, dem Erfinder der balancierten Akupunktur. Beide lehrten eine TCM welche sich weit jenseits der üblichen Lehrbuchmethoden bewegt.
Dr. Peter Levine war und bleibt im psychotraumatologischen Denken und Handeln ein «Beacon of Light». Im expandierenden psychologischen Meer der Methoden, Entwicklungen und Angebote gibt es immer wieder auch wirklich Wichtiges; seine Basis des mitfühlenden Therapierens mit einer biologisch fundierten Methodik bleibt dabei unangetastet. Die wegweisende Integration der Polyvagaltheorie von Stephen Porges, von dem ich ebenfalls lernen durfte, in die meisten traumatherapeutischen Praxen geht z.B. auf Peter Levine zurück.
Im Masterkurs für Pschotraumatologie der Universität Zürich waren die Umstände in den Jahren 2007-2009 so günstig dass wir persönlich von Prof. Luise Reddemann (PITT), Prof. Berthold Gersons (BEPP), Pof. Edna Foa (PE), Prof. Patricia Resick (CPT) und Prof. Thomas Elbert und „Maggie“ Schauer (NET) als den Entwicklern ihrer eigenen Methode lernen durften. Ihre unterschiedlichen Ansätze und kompromisslose Umsetzung waren höchst beeindruckend.
Die Ausbildung zum Ego State Therapeuten und zum Hypnosetherapeuten eröffneten noch einmal eine neue therapeutische Welt; Woltemade Hartman und Kai Fritsche waren begeisternde Vorbilder in der Anwendung dieser Methoden.
Mit der Zuwendung einer holländisch-amerikanischen Expertengruppe zu den bahnbrechenden Werken von Pierre Janet (Ellert Njienhuis, Onno van der Hart, Cathy Steele) und der Entwicklung der enaktiven Therapie wurden weitere wichtige Türen geöffnet. Unter dem Aspekt der strukturellen Dissoziation veränderte sich die Traumaarbeit v.a. im Bereich der hoch dissoziativen Zustände noch einmal wesentlich.
Alison Miller durfte ich zwei Mal in Oakland an einer Fortbildung erleben, zusammen mit Wendy Hoffmann; ohne diese beiden wäre meine Arbeit bei rituellem Missbrauch nicht möglich geworden.